Kurzbericht über den Vortrag
von Hellmuth
SATKE
Daß in der klassischen Antike in Griechenland ebenso wie später auch in Rom Kranke durch einen heilsamen Tempelschlaf bzw. die während dessen auftretenden Träume geheilt worden sind, darf als allgemein bekannt vorausgesetzt werden. Die Entwicklung dieser "Heilstätten" erstreckt sich über rund tausend Jahre.
Nicht nur waren Krankheit, Unglück und vor allem der Tod allgegenwärtig; die Konfrontation damit war insofern in höchstem Maße chaotisch, als die Ursachen von plötzlichen tödlichen Erkrankungen z. B. Wundstarrkrampf unbekannt waren und nur die Dramatik des Auftretens erlebt worden ist.
Exkurs: Noch 1850 starben 95 % der Menschen an akuten und nur 5 % an chronischen Erkrankungen; heute ist dieses Verhältnis (in Europa) genau umgekehrt. Um 1900 lag die durchschnittliche Lebenserwartung in Mitteleuropa für Männer bei 39, für Frauen bei 41 Jahren, obwohl damals nicht nur Anatomie und Physiologie, sondern auch Bakteriologie, Asepsis und zahlreiche Operationsmöglichkeiten (sowie die Narkose) bereits wohl bekannt waren.
In der Antike betrug die durchschnittliche Lebenserwartung eines einjährigen Kindes gar nur 25 Jahre.
Für die Menschen der Antike waren die Götter allgegenwärtig, nicht nur in den Tempeln, sondern in ihrem Wirken im Guten wie im Bösen und im Traum! Nicht nur, daß der Traum als genauso real empfunden worden ist wie tatsächliche Ereignisse, er galt als die einzige direkte Kontaktmöglichkeiten mit den Göttern und die Menschen waren davon überzeugt, daß die Träume Botschaften der Götter sind die hohe Wertschätzung des Traumes in der klassischen Antike findet ihr Gegenstück im Judentum biblischer Zeiten.
Wie jede Krankheit, egal, ob körperlicher oder seelischer Natur (bei der Inkubation, dem Schlafen im Heilraum, ist auffallenderweise nur von körperlicher Krankheit die Rede, was aber auf ein psychophysisches Identitätsempfinden zurückgehen mag, siehe unten) auf eine göttliche Wirkung zurückzuführen war, so konnte sie wiederum nur durch Göttliches oder einen Gott geheilt werden: Ordnung löst das früher empfundene Chaos ab und greift Platz, zur Ätiologie kommen Therapie und Prognose. Der Kult erlaubte nun, daß man die ganze Heilkunst dem göttlichen Arzt überläßt, denn dieser entspricht ja der Krankheit ebenso wie dem Heilmittel: diese beiden Begriffen waren für den damaligen Menschen Eins.
Der "zuständige" Gott bzw. der göttliche Arzt was Asklepios, Sohn des Apoll und der Koronis, welche, um die Illegitimität ihres Kindes zu vermeiden, jemanden anderen zu heiraten beabsichtigte: Apolls Rache ereilte sie, sie wird getötet, doch kurz vor der Verbrennung auf dem Scheiterhaufen rettet Apollo seinen ungeboren Sohn durch Kaiserschnitt. Hier wird die Ambivalenz deutlich: wer den Tod bringt, gibt das Leben wieder! Der Säugling Asklepios wird ausgesetzt, von einer Schäferhündin genährt und schließlich von Apollo dem Zentauren Chiron übergeben. Dieser lehrt ihn die Heilkunst, worin er so weit bringt, sogar Tote zum Leben zu erwecken auf diese Weise gerät er mit dem Ratschluß der Götter in Konflikt und deshalb tötet ihn Zeus durch einen Blitzschlag. Nach seinem Tod wird er als Gott in den Olymp aufgenommen und kann durch Epiphanie ( = Erscheinung eines Gottes im Traum oder als Vision im Wachzustand) an den ihm heiligen Orten, aber auch nur an diesen (analog der Gnadenwirkung von Wallfahrtsorten in späteren Religionen) heilen.
Der erste dieser dem Asklepios heilige Ort war das Asklepeion nahe der Stadt Epidauros, das Ende des 6. Jhdts. v. Chr. errichtet worden ist; berühmt ist in Epidauros auch das (noch heute erhaltene) Theater, das in 55 Sitzreihen nicht weniger als 12.000 Besuchern Platz bot. Die Patienten wurden im Asklepeion durch Heilschlaf, aber auch durch Musik und Gymnastik, freilich aber vor allem durch ihren Glauben an die Heilkraft des Gottes geheilt. Der Ruf des Asklepeien verbreitete sich rasch über die Welt des antiken Hellas, sodaß über dreihundert Tochterheiligtümer blühende Kurortbetriebe entstanden und der Kult bis ins 5. Jhdt. n. Chr. bestand, also über eintausend Jahre andauerte.
Bei Neugründungen von Asklepeien ließ man aus Epidauros einige der dortigen heiligen (ungiftigen) Schlangen vermutlich Äskulapnattern kommen, welche die Heilkraft des Gottes symbolisierten, wodurch diese Asklepeien zu Filialen des ursprünglichen Asklepeions von Epidauros gemacht wurden. Dabei darf nicht übersehen werden, daß die Asklepeien auch ökonomisch sehr interessant waren, wobei der Zugang zu Heilung vor allem den Begüterten möglich war. Über die Verwendung der einzelnen Gebäude sind trotz zahlreicher Ausgrabungen keine Einzelheiten bekannt; die Funde zeigen zumeist einen Rundbau mit einem Labyrinth im Fundament, welches oft von Wasser durchflossen ist, ferner Tempel und den Heilschlafraum.
Außer Asklepios wirkten noch zwei andere Götter in Heilschlaftempeln, nämlich Trophonios, ein Halbbruder des Asklepios, unter dessen Leitung die allerersten Heilschlafrituale in archaischer Zeit erfolgt sein sollen, sowie Serapis, dessen erstes Heiligtum in Sinope am Schwarzen Meer durch Ptolemaios I. nach Befragung des delphischen Orakels nach Alexandria gebracht wurde (hier spiegelt sich schon der Synkretismus der Ptolemäerzeit). In der Folge dauerte der Serapis-Kult genau so lange wie der Asklepios-Kult; in Rom waren schließlich 42 Tempel dem Serapis geweiht selbstverständlich besaß auch Rom ein sehr berühmtes Asklepeion, welches, auf einer Tiberinsel gelegen, 291 v. Chr. feierlich unter der Beibringung der obligaten heiligen Schlangen gegründet worden ist. Später waren gemäß einem Edikt des Kaisers Claudius sogar Sklaven, wenn sie daselbst durch Inkubation geheilt worden sind, daraufhin frei zu lassen.
Bestimmend für diese Götter war letztlich ein Ausspruch des Apollo-Orakels zu Delphi: "der verwundet hat, der heilt auch ". Der Hintergrund dieses Orakelspruchs ist eine Begebenheit aus dem trojanischen Krieg: der Myser-König Telephos, durch einen Lanzenwurf des Achilles am Bein verwundet, ist wie auch die verwendete Lanze nach Griechenland zurückgebracht worden, wo er zehn Jahre an dieser Verletzung laborierte. Zwei Asklepiaden ("Söhne oder Schüler" des Asklepios) hatten vergeblich versucht, ihn zu behandeln, als schließlich das delphische Orakel befragt wurde. Seinen Spruch, "wer verwundet hat, heilt auch ", interpretierte Odysseus dahingehend, daß als Heilmittel der (abgeschabte) Rost der verwundenden Lanzenspitze zu verwenden sei. Es ist nicht überliefert, in welcher Form dieser Rost appliziert worden ist (Rostlösung eingenommen, auf die Wunde aufgelegt, oder beides); jedenfalls soll der Patient prompt genesen sein. Das Motiv "wer verwundet hat, heilt auch " zieht sich hier bereits von der göttlichen Wirkung bis zum verwundenden Instrument durch.
Das zentrale Inkubationsritual dürfte sich etwa wie folgt abgespielt haben:
zunächst war rituelle Reinheit erforderlich (wodurch Schwangeren oder Sterbenden von vornherein der Zutritt zum Heiligtum verwehrt war): Bäder und Waschungen hatten zu erfolgen, um den Reinheitsvorschriften Genüge zu leisten. Ferner wurden zuvor Opfer dargebracht, sei es in Form eines Widders, sei es auch in Form von Silber- oder Goldmünzen, welche in die Quelle (es hat sich dabei jedoch niemals um eine Heil-quelle gehandelt), sofern eine Quelle beim Heiligtum vorhanden war, hineingeworfen wurden, ganz ähnlich, wie dies heute noch Touristen bei der Fontana di Trevi in Rom und bei anderen Brunnen zu tun pflegen. Auch Musik bzw. Gesänge spielten eine große Rolle; immer waren Tiere, nämlich Hunde und vor allem Schlangen, vorhanden. Es erfolgte sodann der Schlaf im "Allerheiligsten", auf einer sogenannten Kline liegend. Falls der Patient nicht transportfähig war, konnte dieser Schlaf auch stellvertretend durch eine Priester des Heiligtums oder durch einen Sklaven des Patienten erfolgen.
Dieses "Allerheiligste" (Αbaton, das "Unbetretbare") durfte nicht von Unberufenen betreten werden, "unberufen" durchaus im wörtlichen Sinn, denn in das Asklepeion sollte nur jemand kommen, der durch den Gott durch einen Orakelspruch oder einen Traum dazu ausdrücklich eingeladen worden war.
Die Frage, ob dann während des Heilschlafs der "richtige" Traum geträumt worden sei, beantwortete sich von selbst: war der Kranke beim Erwachen geheilt, so ist es der richtige Traum gewesen; das war bei einer Epiphanie der Fall, d. h., wenn der Gott (Asklepios, Serapis oder auch Trophonios) den Menschen im Traum ("onar") oder im Form einer Vision im Wachzustand ("hypar") erschien.
Es bestand für den Patienten die Verpflichtung, den Trauminhalt schriftlich niederzulegen und den Priestern zu übergeben (in den Asklepeien gab es weder Traumdeuter noch Ärzte, auch die Priester nahmen diese Funktionen nicht wahr), ein Dankopfer auch in Form von Hymnen oder anderen literarischen Produktionen darzubringen und das Honorar zu bezahlen.Selbstverständlich machte dieses Ritual in den tausend oder mehr Jahren seines Bestandes eine Entwicklung durch, so war es in archaischer Zeit (als Trophonios der Heilgott war) noch sehr schreckenerregend: der Inkubant wurde eingewickelt und mit Binden verschnürt in eine enge Röhre geschoben und von dort in den Raum hineingesogen, in welchem er tagelang gleichsam ein Gefangener des Gottes blieb, sodaß er schließlich in einem ziemlich mitgenommenen Zustand herauskam und der Labung durch seine Freunde bedurfte. In der Spätzeit des Heiltraum-Rituals hingegen, also bereits in nachchristlicher Zeit, erwachte der Kranke nicht mehr geheilt, sondern erhielt im Traum Anweisungen, was er zu tun habe, um Heilung zu erlangen dies machte eine Interpretation der Träume notwendig, sodaß diese Entwicklung dann auch Traumdeuter notwendig machte.
Parallel zu dieser Heilung durch den "Gott als Arzt" entwickelte sich eine wissenschaftliche Medizin, die vor allem an den Namen Hippokrates von Kos geknüpft ist. Nun ist es nicht uninteressant, einen Blick auf Hippokrates' Ansichten über Träume zu werfen:
Im Schlaf ist die Seele unbestrittener "Herr im Haus", da es keine körperlichen Wahrnehmungen gibt. Die Seele kann im Schlaf auch die Krankheitsursache in Form von Bildern erfassen (in Träumen mag sich jedoch auch göttlicher Einfluß manifestieren): solange der Traum nur repetiert, was am Tag erlebt worden ist [eine klare Antizipation des neuzeitlichen Begriffs der "Tagesreste"!], ist der Körper offenbar in Ordnung. Handelt der Traum jedoch von Streit und Krieg, so herrscht Unordnung im Körper, ebenso, wie wenn von den Himmelskörpern Sonne und Mond in einer Weise geträumt wird, die nicht den realen Verhältnissen entspricht, wobei sich dann aufgrund des Prinzips der Entsprechung von Makrokosmos und Mikrokosmos ergibt, in welchen Körpersystemen die Störung vorliegt. Darüber hinaus entsprechen Brunnen und Quellen dem harnproduzierenden System, Flüsse dem Adersystem usw.
Somit wurde in der hippokratischen Medizin die Diagnose aus dem Traumtext auf der Basis von Analogiedenken erstellt. Für diese rein medizinischen Zwecke in naturwissenschaftlicher Art mußte auf die Annahme äußerer Traumquellen (wie z. B. auf die vom Gott gesandten Träume) weitgehend verzichtet werden hier manifestiert sich bereits die rationalistische Epoche, und dennoch konnte die hippokratische Schule, die sich bereits im fünften vorchristlichen Jahrhundert entwickelte, der theurgischen Heilmethode nicht gänzlich entraten, hat sie doch nicht darauf verzichtet, nach dem Tod ihres Stifters auf Kos ein Asklepeion zu errichten. Hundert Jahre nach Hippokrates' Tod war der Asklepios-Kult in Kos bereits zum beherrschenden Staatskult und folgerichtig der Schlangenstab des Asklepios zum Staatswappen geworden.
Die Quellen für das oben Dargestellte sind vor allem drei Autoren aus dem 2. - 6. Jhdt. n. Chr., insbesondere Artemidoros von Daldis. Artemidor, der große Praktiker der Traumdeutung, kannte nicht nur die gesamte damalige Literatur, sondern hat selbst auch 3.000 Träume gesammelt und ausgewertet, wobei in geradezu modern anmutender Weise auch die Anamnese der Träumer erhoben hat und der weiteren Entwicklung durch Katamnese und Epikrise kritisch nachgegangen ist zweifellos eine wissenschaftlich-methodische Vorgangsweise.
Allerdings besteht ein auffallender Gegensatz zwischen Artemidors Traummaterial und dem heutigen darin, daß sich in seinem Material häufig Epiphanien finden. Wenn dabei der Gott kultgerecht also mit den richtigen Attributen ausgestattet erscheint, ist dies ein gutes Omen, während beim geringsten "Fehler" in der Ausrüstung des Gottes der Traum unheilbringend wird und seine Aussagen trügerisch sind (wahrscheinlich wurden derartige Abweichungen als blasphemisch angesehen): auch der Gott hat sich bei seinem Auftreten im Traum an bestimmte Regeln zu halten. Übrigens gibt es auch eine geschlechtsspezifische Entsprechung: Götter ziemen sich für die Männer und Göttinnen für die Frauen. Die Götter (beiderlei Geschlechts) machen im Traum Vorschriften und gaben im Falle einer Krankheit Rezepte an, wobei sie sich so klar ausdrückten, daß eine weitere Deutung nicht notwendig war.
Weiters wurden in dieser Periode, als im Zusammenhang mit der Inkubation bereits eine Interpretation der Träume als notwendig erachtet wurde, fast alle Träume so verstanden, daß sie sich auf zukünftige Ereignisse beziehen und dabei anzeigen, ob das jeweilige Ereignis günstig oder ungünstig verlaufen wird.
Ein interessantes Element der damaligen Traumdeutung ist die unterstellte Polarität der Traummotive:
Für einen Kranken bedeutet ein Traum, im Tempel zu schlafen, Heilung, während dasselbe für einen Gesunden Krankheit bedeutet. Vom Blitz getroffen zu werden, nimmt einem alles, was man hat da nun aber der Arme "Armut besitzt" und der Reiche Reichtum, ist die Vorbedeutung eines solchen Traumes dementsprechend unterschiedlich, gut oder schlecht. Wer glücklich ist, und es wird ihm im Traum Glück versprochen, dem bedeutet dies Unglück, und umgekehrt, wer unglücklich ist und davon träumt, daß er Unglück hat, wird Glück haben.Weitere Prinzipien der Traumdeutung waren neben der Kenntnis von Vorgeschichte und Charakter der Träumers die Anweisung, keine Fragmente, sondern nur vollständige Träume einer Deutung zuzuführen und diese Deutung dann klar und einfach zu geben, ohne sich durch die Anführung vieler Autoritäten den Anschein besonderer Gelehrsamkeit oder Klugheit zu geben also recht modern anmutende Bemerkungen zur Berufsethik eines Traumdeuters.
In der Spätantike hat Asklepios dann den höchsten göttlichen Rang erklommen und wurde für manche Zeitgenossen sogar zur platonischen Weltseele. Er spendet Heilung, ohne dafür etwas zu verlangen! Er fordert nicht einmal, daß der Hilfesuchende an ihn glaubt, sondern bloß, daß er ein anständiger Mensch sei. Frei von jeglicher Rachsucht, erfolgen seine Heilungen an seinen heiligen Orten im persönlichen Kontakt zwischen ihm und dem kranken Menschen. So wird er später gemeinsam mit Mithras Sol Invictus zum stärksten Antagonisten Christi. In seiner menschenfreundlichen Gesinnung ist Asklepios der Nachfolger des Hermes, welcher früher als der menschenfreundlichste der Götter bezeichnet wurde.
Im Jahre 391 n. Chr. wurden die Tempel von Asklepios und Serapis von fanatischen christlichen Bischöfen zerstört, dennoch hielt sich der Glaube an diese Götter im Volk noch rund zwei Jahrhunderte danach.
Weiterführende Überlegungen :
Vielleicht ist es nicht voreilig, meinte der Referent, anzunehmen, daß in der Antike psychische oder psychisch induzierte Krankheiten häufiger gewesen sind als in unserer Zeit. Denn diese Patienten konnten (im Vergleich zu jenen, die einen akuten somatischen Krankheitszustand zuerst überstehen mußten, bevor er chronisch werden konnte) eher überleben. Zudem mag die allgemein verbreitete Auffassung, seelische und körperliche Leiden seien identisch, die Projektion seelischer Not in den Körper und die Etablierung als physisches Leiden ähnlich den Konversionshysterien nach Freud, seelische Blindheit oder seelisch bedingte Lähmungen, die es heute fast nicht mehr gibt gefördert haben. Auch viele Berichte aus antiker Zeit über Heilungen durch Berührung mit der Hand (dokumentiert von Herrschern wie Pyrrhus, Vespasian oder Trajan) fänden darin eine plausible Erklärung.
Im übrigen ändern sich auch die psychisch bedingten Krankheitsbilder über längere Zeiträume hinweg: die Schockreaktionen etwa von Verschütteten im 1. Weltkrieg waren ganz anders ("Rentenneurotiker") als im 2. Weltkrieg.
Auch die Traumwertigkeit hat sich verändert. War der Traum in der Antike die Verbindung zu den Göttern, so war er in der christlichen Zeit dann weitgehend uninteressant, erst in der Psychologie der Romantik erwachte das Interesse an ihm von neuem; in der populären Rezeption, also von der Psychoanalyse und der Tiefenpsychologie abgesehen, blieb er bis zum 2. Weltkrieg eher ein Unterhaltungsthema, während die wissenschaftliche Schlaf- und Traumforschung erst nach dieser Zäsur ihren Aufschwung genommen hat.
Die Tatsache, daß der Satz, Ähnliches sei durch Ähnliches zu heilen, der sich ausgeprägt schon bei Paracelsus findet und dann bei Hahnemann seinen Höhepunkt erreicht, bereits auf die Antike, nämlich die griechische Mythologie, zurückgeht, gibt der Spekulation Raum, daß dieser Gedankengang noch viel älter und der menschlichen Psyche immanent sei, aus welcher er zeitweilig wie eine Intuition hervorbreche.
Kommentar :
Die Telephos-Episode erinnert, wie der Referent auch selbst hinwies, an das simile-Prinzip der Homöopathie. Darüber hinaus erweckt sie auch Assoziationen an die "Waffensalben" und das DIGBY-Puder (Sir Kenelm DIGBY, 11 07 1603 - 11 07 1665), bei deren Anwendung nicht die Wunde selbst, sondern vielmehr die die Wunde verursacht habende Waffe "behandelt", d. h., mit der Salbe eingerieben bzw. mit dem Puder bestreut worden ist, von der unterschwelligen Vorstellung ausgehend, daß der Kausalzusammenhang zwischen Waffe und Wunde nicht nur bei der Verursachung, sondern auch bei der Heilung gegeben wäre. Dieses Motiv, das derartigen "sympathetischen " Heilmethoden zugrunde liegt, ist in der älteren okkulten Literatur häufig und dem der "Reperkussion " (Rückwirkung) verwandt in allen diesen Fällen handelt es sich um die Vorstellung von Wirkungen auf Distanz, die man heute als "non-local" (nicht-lokal) bezeichnen würde.
Ein weiterer, parapsychologisch relevanter Bezug, auf den ich auch im Rahmen der Diskussion hingewiesen habe, ist die auffallende Parallele zwischen jenen Träumen während der Inkubation (in der Spätzeit), in denen Heilmittel bzw. Rezepte geoffenbart, Verhaltensregeln angegeben oder Heilung vorausgesagt wurde, und den Aussagen von Somnambulen zu Ende des 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die während des "magnetischen Schlafes" bzw. "künstlichen Somnambulismus" Informationen über Heilmittel, aber auch über die zukünftige Entwicklung ihres Leidens (Krisen, schließliche Heilung) erhielten wobei es natürlich in beiden Fällen völlig dahingestellt ist, ob es sich dabei um Präkognition handelt, um dramatische Einkleidung des Körpergefühls oder um eine "self-fulfilling prophecy" [keine Frage, daß man aus Gründen der Denkökonomie der letzteren Variante den Vorzug geben wird].
Literatur :
MEIER C. A.: Der Traum als Medizin
Erweiterte Neuauflage von "Antike Inkubation und moderne Psychotherapie (Studien aus dem C.G. JUNG-Institut)" im Daimon Verlag, Einsiedeln 1985
LUCK G.: Magie und andere Geheimlehren in der Antike
Kröner Verlag, Stuttgart 1990
IRMSCHER-JOHNE (Hrsg.): Lexikon der Antike
Gondrom Verlag, Bayreuth 1985
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