Zusammenfassung des Vortrags von 
Erlendur HARALDSSON vom 07. 04. 2014
(em. Univ.-Prof. Dr. Erlendur Haraldsson, University of Iceland, Reykjavik, Island)

»Der Tod – ein neuer Anfang«

Empirische Argumente aus der Forschung für und gegen das Weiterleben nach dem Tode

Eingangs ein paar Bemerkungen zu den theoretischen Vorstellungen darüber, was mit dem Menschen nach dem Tod passieren mag, und dazu, woran aktuell geglaubt wird.

Vorstellungen von der Möglichkeit eines Lebens nach dem Tod:

  • Wir erlöschen beim Tod, es kein kein Weiterleben
  • Wir können nicht wissen, ob wir weiterleben (Agnostizismus)
  • Wir haben ein ewiges Leben vor uns
  • Wir werden wiedergeboren
Die Verteilung des jeweiligen Glaubens in den deutschsprachigen Ländern gemäß der Umfrage der Europäischen Wertestudie von 1980–83 (Zustimmung in % der Befragten):

          Land

Leben nach dem Tod Wiedergeburt
Schweiz 64 % 36 %
Österreich 56 % 29 %
West-Deutschland 50 % 26 %
Ost-Deutschland 21 % 13 %

Zustimmungs-Werte in Gesamt-Europa:

  • 45 % lehnen jedes Konzept über Leben nach dem Tode ab
  • 28 % glauben an Leben nach dem Tode ohne Wiedergeburt
  • 20 % glauben, daß sie wiedergeboren werden
  •   7 % wissen nicht, was man glauben könnte
Nach diesen Präliminarien nun zu den Argumenten pro (und contra) eines wie immer gearteten Weiterlebens, die sich wie folgt klassifizieren lassen:

Philosophische:
    z. B. bei Plato

Theologische:
    steht in den heiligen Schriften

Moralische:
    Belohnung bzw. Strafe im Jenseits sorgt für Gerechtigkeit

Und schließlich empirische:
    der Auseinandersetzung mit ihnen ist der Rest des Vortrags gewidmet.

Empirische Argumente gegen ein Weiterleben:
 
Abhängigkeit von Bewußtsein, Gedächtnis und Persönlichkeit vom Zustand des Gehirns und des Körpers
Schon vor zweitausend Jahren formulierte der römische Dichter und Philosoph Titus Lucretius Carus die Hauptargumente gegen ein Leben nach dem Tode:

  • Der Geist entwickelt sich und altert wie der Körper
  • Wein und Krankheit beeinflussen den Geist
  • Ein Schlag auf den Kopf kann uns ohnmächtig machen
  • Wäre die Seele ewig, warum erinnern wir uns dann nicht an frühere Leben?

  •  
Empirische Argumente für ein Weiterleben:
  • Erscheinungen von Verstorbenen
  • Visionen am Sterbebett
  • Nah-Tod Erlebnisse
  • Mediumistische Kommunikationen
  • Terminale Geistesklarheit
  • Erinnerungen an ein früheres Leben

Einige dieser Punkte werden in der Folge abgearbeitet (nicht jedoch die Reinkarnations-Frage, die den Platz sprengen würde).
 

1. Erscheinungen von Verstorbenen:

Wie Umfragen (wiederum die Werte-Studie) zeigen, ist das subjektive Erleben von Erscheinungen Verstorbener keineswegs selten.
So geben an, einen Kontakt mit Verstorbenen erlebt zu haben,
in

West-Deutschland 28 % der Befragten
Großbritannien 26 %
Holland 12 %
Italien 34 %
Frankreich 24 %
insgesamt in West-Europa 25 % der Befragten
und  
in den USA 30–41 %

Erscheinungen von Sterbenden um die Zeit des Sterbens: Jede siebente Erscheinung von Verstorbenen geschieht zur Zeit des Todes oder knapp danach. Später – nach einer Woche, nach einem Monat etc. – fällt die Häufigkeit stark ab.

Bedingungen unter denen die angeblichen Begegnungen stattfanden

·  Körperlich aktiv, beschäftigt 50 %
·  Ruhend 22 %
·  Beim Einschlafen 6 %
·  Beim Aufwachen 16 %
·  Zwischen Schlaf und Wachen 5 %

bzw.

·  Im Tageslicht oder vollem elektrischen Licht 52 %
·  Dämmerung 35 %
·  Dunkelheit 9 %
·  Unterschiedlich, unbekannt 5 %

Todesursache der Verstorbenen, N = 449

·  Krankheit 248 Fälle 70 %
·  Gewaltsamer Tod   98 30 %
   -  Unfall    
   -  Selbstmord    
   -  Mord    
·  Unbekannt 103  

Zusammenfassung der Erscheinungen von Verstorbenen:

2. Phänomene kurz vor Eintritt des Todes:

  • Erscheinungen des Sterbenden selbst im Augenblick des Todes, wahrgenommen von Personen, die nicht am Sterbebett anwesend sind
  • Visionen am Sterbebett: Visionen von verstorbenen Verwandten, Freunden oder religiösen Gestalten, die der Sterbende kurz vor seinem Tod wahrnimmt und mit denen er auch oft spricht
  • Akustische oder physikalische Phänomene wie Klopftöne, sich öffnende und schließende Türen, hinunterfallende oder zerbrechende Gegenstände, und Uhren, die um die Zeit des Todes stehen bleiben
  • Körperliche Bewegungen oder Fähigkeiten des Sterbenden, die zuvor aufgrund seines Zustands unmöglich schienen
  • Die Rückkehr der normalen geistigen Fähigkeiten bei bewußtlosen, dahindämmernden oder psychisch kranken Patienten, zudem außergewöhnliche Stimmungsaufhellungen und Heiterkeit sowie die Fähigkeit, überraschend klar und ausdrucksvoll zu sprechen

Vgl. die groß angelegte Studie von Osis and Haraldsson über Visionen am Sterbebett („At the Hour of Death“, keine deutsche Übersetzung):

Material:

USA:     442 Fälle, Telefoninterviews mit Ärzten und Krankenschwestern
Indien:   435 Fälle, persönliche Gespräche

Ergebnisse:

Visionen von menschlichen Gestalten                     591 Fälle
Keine Visionen, aber Stimmungsaufhellung             174 Fälle

Inhalt visionärer Erscheinungen bei Kranken im Endstadium, Erscheinung von …

  Anzahl der Fälle USA Indien gesamt
Lebende Person 68              16 %            20 %           18 %           
Verstorbene/r 178              66 %            28 %           47 %           
Religiöse Gestalt 115              12 %            48 %           30 %           
Kombination(en) 18              6 %            4 %           5 %           
Keine Angabe 92              -               -              -              

Fallbeispiele:

eine 60-jährige Frau sah ihren verstorbenen Mann; eine 65 Jahre alte Amerikanerin: „Da steht meine Mutter“; ein Inder sah Christus und sagte: „Nun gehe ich“; ein junges Mädchen sah ihre verstorbene Mutter; ein indischer Patient, der nicht erwartet hatte, zu sterben: „Es ruft mich jemand“; ein junges Mädchen in den USA sagte, daß es einen Engel gesehen habe, der es bei der Hand genommen habe; ein junger Inder sagte: „Meine Zeit ist um. Meine Mutter ruft mich. Sie steht dort mit ausgebreiteten Armen“ und starb ganz kurz darauf. Einige Sterbende erzählen von geistlicher Musik oder himmlischen Chören.

Anscheinende Absicht der halluzinierten Erscheinung(en) bei Patienten im Endstadium (N=471):

  Anzahl der Fälle USA Indien gesamt
Besucher 42          14 %        14 %        14 %       
Tröster 17          13 %        2 %        6 %       
„Begleiter“        
  - mit Einwilligung 142          41 %        50 %        47 %       
  - ohne Einwilligung 54          1 %        26 %        18 %       
Zurückschickend 2          0 %        1 %        1 %       
Bedrohlich 17          4 %        6 %        6 %       
Erinnernd 27          27 %        1 %        9 %       
Keine Information 170          -           -           -          

Die meisten Patienten waren nicht von halluzinogenen Faktoren betroffen; Patienten mit Gehirnstörungen sahen weniger Erscheinungen, die sie abholen wollten, als Patienten ohne halluzinogenen Faktor. Visionen einer „anderen Welt“ ändern oft der Einstellung der Patienten zu ihrem Sterbensprozeß.

Zusammenfassung der Sterbebett-Visionen:

  • Manche sterbende Patienten sehen kurz vor ihrem Tod verstorbene Verwandte oder Freunde
  • Die „erscheinenden“ Verstorbenen sagen, sie seien gekommen, um die im Sterben liegende Person in die „andere Welt“ zu begleiten
  • Diese Begegnung macht bereit, das eigene Sterben zu akzeptieren
  • Die meisten Sterbebett-Visionen sind frei von halluzinogenen Elementen

  •  

3. Erlebnisse in Todesnähe („Nah-Tod-Erfahrung“):

Erfahrungen von Menschen, die dem Tod nahegekommen waren, dabei bewußtlos waren, dann ins Leben zurückgekehrt sind und von besonderen Erfahrungen während ihrer Bewußtlosigkeit berichten. Dabei wird – nebst Tunneln, hellen Lichtern und schönen Landschaften – auch von Begegnungen mit verstorbenen Verwandten oder anderen Nahestehenden ganz analog zu den Sterbebett-Visionen berichtet.

4. Weitere Phänomene nahe dem Zeitpunkt des Todes:  Terminale Geisterklarheit

Die Rückkehr der normalen geistigen Fähigkeiten bei dahindämmernden oder psychisch kranken Patienten, zudem Stimmungsaufhellungen und Heiterkeit sowie die Fähigkeit, überraschend klar und ausdrucksvoll zu sprechen. Vorkommen bei chronischen Geisteskrankheiten, Demenz, Alzheimer und bei Behinderten.

Literaturhinweise dazu:

  • Michael Nahm, Bruce Greyson, Emily W. Kelly, Erlendur Haraldsson:
    Terminal lucidity. A review and case collection.
    Archives of Gerontology and Geriatrics, 55 (2012) 138-142
  •  
  • Michael Nahm:
    Wenn die Dunkelheit ein Ende findet. Terminale Geistesklarheit und andere Phänomene in Todesnähe.
    Verlag Crotona, 2012
    978-3861910244


5. Mediumistische Kommunikationen:

  • Kommunikation von Fakten, die das das Medium nicht wissen konnte
  • Das Medium zeigt Fähigkeiten außerhalb seiner „normalen“, alltäglichen Möglichkeiten
  • Verstorbene Personen, die einen gewaltsamen Tod erlitten, kommen besonders häufig vor
  • Drop-in Kommunikatoren, also „Kommunikatoren“, die „sich durch das Medium melden“, ohne daß die Sitzungsteilnehmer die Absicht hatten, diese Verbindung aufzunehmen

Mit der Vorstellung eines ganz hervorragenden – selbst nachrecherchierten – Falles eines Drop-in Kommunikators hat unser Referent seinen Vortrag abgeschlossen:

In der Sitzung mit dem isländischen Medium Indridi Indridason (1883-1912) „meldete sich“ am 24. November 1905 ein sowohl dem Medium wie den Sitzungsteilnehmern unbekannter Kommunikator, der seinen Namen als Jensen angab und der ein gerade ausgebrochenes Feuer in einer Fabrik in Kopenhagen beschrieb. (Damals gab es weder eine Telephon- noch eine Radioverbindung zwischen Island und Dänemark.) Die Bestätigung traf in Island erst kurz vor Weihnachten ein, als eine dänische Zeitung Island erreichte, in der sich eine Beschreibung des Brandes in der Fabrik in Kopenhagen an genau dem Abend der Sitzung befand.

„Jensens“ Aussagen über das Feuer in Kopenhagen am 24. Nov. 1905:

  • Das Feuer war in einer Fabrik
  • Es begann um Mitternacht am 24. Nov. 1905
  • Nach einer Stunde war es unter Kontrolle gebracht

„Jensens“ Aussagen über sein Leben und seine Identität in einer weiteren Sitzung (11. Dez. 1905), wobei bezeugt ist, daß der Kommunikator „durch“ das Medium deutlich mit dänischem Akzent sprach:

  1. Sein Vorname ist Emil.
  2. Er war Fabrikant
  3. Er hatte keine Kinder.
  4. Er war Junggeselle
  5. (Auf die Frage, ob er jung war) „Nein, nicht so jung“
  6. Er hatte Brüder und Schwestern
  7. Sie sind „nicht im Himmel“ (d.h., sie leben noch)

Alle diese sieben Angaben hat Erlendur Haraldsson durch Nachforschungen in Archiven bestätigen können! Die Dokumente dazu sind im Vortrag gezeigt worden und auch in Fachartikeln publiziert.

  • Indridi Indridason, der 1905 gerade 22 Jahre alt war, ist nie in Kopenhagen gewesen
  • Jensen lebte dort sein ganzes Leben, am längsten in Store Kongensgade (eine bestimme Straße in Kopenhagen)
  • Indridason kannte niemanden in Kopenhagen, während Jensen viele Menschen in Store Kongensgade kannte
  • Jensen muß eine viel größere Motivation und Interesse gehabt haben, die Entwicklung des Brandes zu verfolgen, als das Medium
  • Irgendeine Art von Betrug (Nachrichten über Brieftauben, Brandstiftung etc.) scheint völlig ausgeschlossen


Abschließend die Fragen, die all diese Daten aufwerfen:

  • Ist das Sterben ein „Tor zu einer anderen Existenz“?
  • Werden wir von uns Nahestehenden empfangen?
  • Gibt es ein „Multiversum“ statt eines Universums?


Website des Referenten: http://www.hi.is/~erlendur (isländisch und englisch)

( © Zusammenfassung: Prof. Peter Mulacz)

 


                

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