ZWISCHEN TRADITION UND MYSTIK
Der Seelenbegriff im Judentum
Der Referent hat sich schrittweise über die alten Lehren der rabbinischen Zeit
und die jüdischen Philosophen des Mittelalters, die alle ein sehr
uneinheitliches Bild liefern, dem Thema genähert; zum Schwerpunkt wurde dabei
die Kabbala, also die „Überlieferung“, wobei es durchaus verschiedene
kabbalistische Schriften und Schulen gibt, daher auch keine allgemeingültige
kabbalistische Lehre.
Interessant war der Hinweis, daß die zehn Sephiroth – die göttlichen Emanationen – des kabbalistischen Lebensbaums keineswegs, wie es die bekannten bildlichen Darstellungen dem Betrachter suggerieren, als fix in einer hierarchischen Reihenfolge angeordnet anzusehen sind, sondern durchaus ständig in Bewegung und Austausch gedacht werden müssen.
Nachdruck wurde dabei insbesondere auf die lurianische Kabbala gelegt, d. h. die von Rabbi Isaak Luria (1534–1572) begründete neuzeitliche (und mittlerweile wohl wichtigste) Richtung der Kabbala; bekannt ist Luria unter dem Beinamen ARI, ein unterschiedlich interpretierbares Akronym. Da ARI im Hebräischen „Löwe“ bedeutet, wird Luria auch als „Der Löwe“ bezeichnet. (Der Referent hat auch ein schönes Bild der Synagoge Isaak Lurias in Safed/Tsfat gezeigt.)
Besonders relevant für unser Thema „Seelenbegriff“ ist die Seelenwanderungslehre der lurianischen Kabbala. Dort spielt auch der Begriff Dibbuk eine Rolle – ein Totengeist, der von einem anderen Menschen Besitz ergreift, nicht unähnlich christlichen Vorstellungen (vgl. die Begriffe Besessenheit und Exorzismus) bzw. Vorstellungen gewisser spiritistischer Richtungen (vgl. Erweckungsséancen). Der Dibbuk hat mittlerweile auch in die Populärkultur Eingang gefunden.
Prof. Davidowicz hat uns für unser Archiv einen Aufsatz, in dem er sich speziell mit dem Thema „Dibbuk“ befaßt, zur Verfügung gestellt, wofür ihm herzlich gedankt sei:
Der
Dibbuk:
Der ungebetene Gast aus dem Jenseits
Sonderdruck aus:
Cordoni, C. & Langer, G. (2016). „Let the Wise Listen and add to Their Learning“ (Prov 1:5). Festschrift for Günter Stemberger on the Occasion of his 75th Birthday. Berlin, Boston: De Gruyter (745–755).